Silke Hohmann: Fokus auf Martin Liebscher

Silke Hohmann in Frankfurter Rundschau 07. Juli 2001 Magazin, Seite 21

FOKUS AUF
MARTIN LIEBSCHER



Durch Los Angeles zu fahren, sagt Martin Liebscher, bedeutet, einen Ort zu durchqueren den man schon kennt, ohne je da gewesen zu sein. Die Stadt ist für ihn ein einziges großes Archiv der Erinnerungen – vor allem an Filmszenen. Liebscher selbst verfolgt Ober einen großen persönlichen Bildervorrat von Hollywood-Schauplätzen. Was daran liegen mag, dass er lange als Filmvorführer gearbeitet hat. So taucht für ihn im Stadtbild plötzlich die Firestone-Tankstelle aus dem David-Lynch-Film Lost Highwayauf . An der anderen Ecke prangt der Monster-Donut aus Mars Attacks. Und etwas weiter findet sich Liebscher inmitten eines original Blade Runner-Bühnenbildes wieder.

Nach einem halben Jahr in den USA mit Wohnsitz in L.A. hatte der Fotokünstler und Absolvent der Frankfurter Städelschule die wichtigsten filmreifen Locations ausgemacht. Aber eigentlich, erzählt er, habe er sich ja ständig wie im Kino gefühlt. Die Windschutzscheibe des Ford Galaxie 500 diente ihm als Leinwand, über die ständig die schönsten Hollywood-Landschaften zogen: das Bild des hohen blauen Himmels, die Kulisse einer Geisterstadt, ein Highway wie aus einem klassischen Roadmovie. Oder ein groteskes Science Fiction-Gebäude mitten im Park. Oder einfach Las Vegas. das schließlich aus jeder erdenklichen Sichtweise wirkt wie ein sehr gut ausgedachtes Filmset. Orte also, an denen man augenblicklich die Regie übernehmen möchte.

Und das tut der Science-Fiction-Fan Liebscher gerne Zum Glück hatte er immer sein UFO im Kofferraum dabei. Denn was wäre wohl ein dramatischerer Eingriff in die Welt als sie von einem Ufo Obenschatten zu lassen So etwas ist schließlich nicht nur in formaler Hinsicht verstörend, sondern auch inhaltlich zutiefst beunruhigend. So lösen Liebschers Ufo Bilder eine inneren Alarmzustand aus, der auch dann nicht ganz weicht, wenn der Trick durchschaut ist: Stab, Faden und manchmal auch der Arm des Helfens sind auf den Quicksnap-Fotografien teilweise zu sehen. Was gar nichts macht. Denn das Ufo war ja wirklich da, auch wenn es in Wahrheit aus alten Einwegkameras besteht. „Weil es so echt aussieht, glauben viele Leute, ich hatte es am Computer hinein montiert“, erzählt der Fotokünstler. Dabei hat er nur einen uralten Filmtrick angewendet: Durch das Abbilden von Raumtiefe, also das Umwandeln von 3D in 2D, werden die Größenverhältnisse für den Betrachter unklar. Wichtigster Trick: dass das Licht stimmt – dann verschmelzen Modell und Umgebung zu einer einzigen, unheimlichen Szenerie. Und wenn man nur lange genug die Straßenzüge und Landschaften von L.A. betrachtet, all die Vergnügungsparks und Reklametafeln auf Liebschers Fotografien, dann geht im Vergleich dazu von den Ufos doch etwas sehr Beruhigendes aus.



Silke Hohmann

Frankfurter Rundschau Magazin, 7.Juli 2001 Seite 21

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